1872 trat §218 des Reichsstrafgesetzbuches in Kraft. Schwangerschaftsabbrüche waren zu diesem Zeitpunkt verboten. Ärzt*innen führten Abbrüche aus Angst vor den juristischen Folgen kaum noch durch. So sahen sich viele schwangere Personen gezwungen, den Eingriff selbst an sich vorzunehmen oder Laien um Hilfe zu bitten. Vor allem die Arbeiterschicht war von den Auswirkungen des Abtreibungsverbots betroffen, da nicht ausreichend Geld für Verhütungsmittel zur Verfügung war und reiche Personen es sich leisten konnten, Ärzt*innen privat für einen Abbruch zu bezahlen. In den 20er Jahren wurden die meisten Abbrüche unter unhygienischen, schmerzhaften und lebensgefährlichen Bedingungen durchgeführt. Viele Frauen* starben an den Folgen eines Eingriffs. Ende der 20er Jahre wurden durch die enorme Armut der Arbeiterschicht ebenso viele Schwangerschaften beendet wie ausgetragen. Die Proteste gegen den § 218 wurden in den 20er Jahren immer lauter. Eine der Ärztinnen, die protestierte, war Else Kienle. 1931 wurde sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Friedrich Wolf wegen „gewerbsmäßiger Abtreibung“ verurteilt. In ihrem Buch „Aus dem Tagebuch einer Ärztin“, das 1932 erschien, schrieb die Ärztin: „Der Kampf der Frau entschied sich an diesem Punkt: Bei der Eroberung des Rechts über den eigenen Körper. So wenig es für den Mann einen Zwang zur Zeugung gab, so wenig durfte die Frau zum Gebären gezwungen werden“.